Verfasserin: Susa

Ich gehe von Anfang an mit Polyamorie als meinem gelebten Beziehungsmodell sehr offen um. Im Rahmen sich daraus ergebender Gespräche werde ich von interessierten Menschen häufig nach meinem Beziehungsstatus gefragt. Ich habe darauf keine wirkliche Antwort, da ich in drei sehr verschiedenen Liebesbeziehungen lebe und der Kontakt zu den meta-Partnern (= Partner der Partner) auch viel Beziehungsarbeit beinhaltet. (Manchmal mehr Arbeit, als die Beziehung zu den Menschen erfordert, mit denen ich in einer Liebespartnerschaft bin).

Ich bin keine Freundin von Kategorien, aber um zu erklären, wie ich lebe und wie meine Beziehungen gestaltet sind, helfen sie enorm weiter. Die Begriffe, die ich gefunden habe, um meine Beziehungen anderen näherzubringen, sind beispielsweise: verheiratet, aber getrennt lebend, Liebesbeziehung, feste Beziehung, Lebenspartnerschaft, meta-Partnerschaft etc. … Diese Kategorien reichen aus, um ein ungefähres Verständnis zu liefern, zumal wenn ich die verschiedenen Kategorien, mit denen ich die einzelnen Verbindungen charakterisiere, durch detaillierte Beschreibungen ergänze.

Das Miteinander in einem Beziehungsnetz im Vergleich zum Status der einzelnen Beziehungen zu erklären ist weitaus herausfordernder, komplexer und erfordert vom Zuhörenden viel Vorstellungsvermögen fern von normativem Denken.

Hier der Versuch, zu erklären, wie ich unser Beziehungsnetz verstehe und es für mich stimmig beschreiben kann: Ein Merkmal, das uns in unserem Beziehungsnetz auszeichnet, ist, dass wir uns in unserem engeren Kreis untereinander kennen und uns stark aufeinander beziehen. Wir verbringen viel Zeit mit Beziehungsgesprächen und damit, uns auch in der Tiefe kennenzulernen. Oftmals reagieren die sensiblen und verletztlichen Pesönlichkeitsanteile durch unser gemeinsames Miteinander aufeinander, Gefühle tauchen auf, wir alle brauchen und wollen Raum, gesehen und wahrgenommen zu werden mit dem Bedürfnis, so sein zu dürfen, wie wir sind. Dafür braucht es die starke Bereitschaft für gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz. Ebenfalls sehr wichtig sind gemeinsame Erlebnisse wie miteinander Feste zu feiern, Ausflüge zu machen, zusammen zu kochen oder einfach Zeit miteinander zu verbringen, sei es durch Besuche oder Telefonate. Manchmal kommunizieren wir auch per Gruppenchat oder email miteinander.

Es wird deutlich, wie verwoben an diesen Stellen die individuellen Leben sind, wir alle sind dadurch miteinander verbunden, die gleichen Menschen zu lieben. Der Begriff  „Beziehungsnetz“ deutet auf diese Verwobenheit hin, jedoch ist er mir persönlich zu wenig verständlich und nicht eindeutig genug.

Am passendsten finde ich den Begriff der Erfahrungsgemeinschaft, denn das ist das, was wir immer wieder aufs Neue miteinander teilen: Gemeinsame Erfahrungen, die Verbindung schaffen, Nähe erzeugen und als beziehungsstiftendes Element sehr wirksam sein können. Wir gehen miteinander durch all die Veränderungen, die im Leben und im Alltag immer wieder vorkommen. Im Großen, wenn irgendwo eine neue Beziehung entsteht, Beziehungen enden (auch das kommt vor) oder sich Beziehungen im Wandel befinden. Ebenso können sich Lebenssituationen durch äußere Einflüsse wie Umzüge, aktive Familienplanung, Einschulung eines Kindes, Jobwechsel oder Anschaffen von Katzen 🙂 verändern, was immer wieder aufs neue Flexibilität und unter Umständen neue Vereinbarungen und ein neu festzulegendes Commitment erfordert. Und im Kleinen, wenn jemand in Urlaub fährt, seine/ihre Fernbeziehung pflegt, ein Date hat, krank wird, wenn sich Termine verschieben oder die Katze zum Tierarzt muss.

Dies alles erfordert Absprachen, Kontakt und Beziehungen mit Menschen, die mit diesen komplexen Herausforderungen umgehen können und auf die kollektive Handlungsfähigkeit einer Gruppe Wert legen. Menschen, die wirklich miteinander zu tun haben und sich ständig gegenseitig in ihren Absichten und dem, was alle Gruppenmitglieder innerlich sowie äußerlich bewegt, aufeinander beziehen.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Verbindungen der Meta-Partner untereinander sehr vielfältig sind. Sie gestalten und differenzieren sich jeweils nach Art der gemachten Erfahrungen, der Art und Weise, die Welt wahrzunehmen, sie zu verstehen und sich darüber auszutauschen, nach vergleichbaren Lebenssituationen und daraus resultierend dem gegenseitigen Verständnis füreinander, der Zuneigung, Verbundenheit, Sympathie etc.

Für mich unterscheide ich auch die Art der Beziehung, die ich zu meinen meta-Partnern und meta-Partnerinnen habe. Und ich lebe unter anderem deswegen so gerne polyamor, weil sich der Kreis der Menschen, die Teil meines Lebens sind (wenn sie es wollen) erweitert und durch die PartnerInnen, mit denen wir gleichzeitig Beziehungen führen, eine hohe Verbindlichkeit und Bereitschaft, gut miteinander auszukommen, wahrscheinlicher ist. Meta-Beziehungen sind anders und irgendwie auch „mehr“ als Freundschaft, so empfinde ich das. Es bleibt kaum aus, einander nah zu kommen, wenn wir jeweils mit dem gleichen  Menschen eine Beziehung führen, da wir alle Teil des Lebens dieses geliebten  Menschens sind.

In dem Fall, dass wir meta-Partner uns untereinander gut verstehen, uns mit unseren Verletztlichkeiten zeigen und uns nah sind, werden sie für mich zu Verbündeten auf meinem Lebensweg. Verbündete, das sind für mich Menschen, die ähnliche Ziele teilen wie ich, die den gleichen Traum träumen und leben, die aus einer Ansammlung von Individuen eine Gruppe und aus einzelnen Beziehungspaaren eine Gemeinschaft entstehen lassen, eine Gemeinschaft, die durch Solidarität und Kooperation geprägt ist und die durch diese Werte getragen und gefestigt wird.

03. März 2019